Aufenthaltsbestimmungsrecht
erstellt am 30.09.22 von Julia Matthäi, Prof. Dr. Eva Schuman Familienrecht, Georg-August-Universität Göttingen

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Hier finden Sie Antworten auf die folgenden Fragen:
- Wem steht das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu und welche Entscheidungen sind davon umfasst?
- Wer entscheidet, bei welchem Elternteil das Kind nach der Trennung lebt?
- Was passiert, wenn sich die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nicht über den Aufenthalt des Kindes einigen können?
- Darf ein Elternteil mit dem Kind in eine andere Stadt umziehen?
- Was ist bei Urlaubsreisen mit dem Kind zu beachten?
Wem steht das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu und welche Entscheidungen sind davon umfasst?
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht steht bei gemeinsamer elterlicher Sorge beiden Eltern gemeinsam zu. Ist ein Elternteil allein sorgeberechtigt, dann steht diesem Elternteil auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht alleine zu. Denkbar ist auch, dass die getrenntlebenden Eltern zwar weiterhin gemeinsam sorgeberechtigt sind, aber das Aufenthaltsbestimmungsrecht vom Gericht einem Elternteil übertragen wurde.
Wie in allen Bereichen der elterlichen Sorge müssen die Eltern auch bei Entscheidungen über den Aufenthalt des Kindes dem zunehmenden Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewusstem Handeln Rechnung tragen. Der Kindeswille ist daher altersgemäß zu berücksichtigen. Insbesondere bei älteren Kindern sollte der Kindeswille bei der Frage, bei welchem Elternteil das Kind leben möchte, ausschlaggebend sein. Entsprechende Fälle, die vor Gericht entschieden wurden, finden Sie hier:
PDF herunterladenBestandteile des Aufenthaltsbestimmungsrechts
Das Recht, über den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, umfasst insbesondere die Entscheidung über...
- den Wohnort des Kindes
- einen Umzug
- Urlaubsreisen
- Kur- und Krankenhausaufenthalte
- Ausgehzeiten
Zum Aufenthaltsbestimmungsrecht gehört auch, dass dem Kind verboten werden kann, bestimmte Ort aufzusuchen, oder dass Zeiten festgelegt werden, an denen das Kind zu Hause sein muss.
Wer entscheidet, bei welchem Elternteil das Kind nach der Trennung lebt?
Die Antwort auf diese Frage ist davon abhängig, wem das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht.
Alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht
Steht einem Elternteil die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu, kann dieser Elternteil auch alleine entscheiden, wo das Kind lebt.
Gemeinsames Aufenthaltsbestimmungsrecht
Steht beiden Eltern die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemeinsam zu, dann müssen die Eltern nach einer Trennung einvernehmlich entscheiden, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt haben soll. In Betracht kommt einerseits, dass das Kind überwiegend bei einem Elternteil lebt und mit dem anderen regelmäßig Umgang hat (sog. Residenzmodell). Andererseits können die Eltern das Kind auch abwechselnd betreuen (sog. geteilte Betreuung bzw. Wechselmodell).
Entscheidung für ein Betreuungsmodell
Bei der Entscheidung über das Betreuungsmodell sind zahlreiche Faktoren zu beachten. Klären Sie gemeinsam, welches Betreuungsmodell nach einer Trennung zu Ihrer Lebenssituation am besten passt und dem Kindeswohl am besten dient. An diesem Klärungsprozess sollten Sie auch Ihr Kind altersgerecht beteiligen und seine Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigen. Die STARK-Entscheidungshilfe kann Ihnen bei Ihrer Entscheidung für ein passendes Betreuungsmodell weiterhelfen:
Ergeben sich im Laufe des Getrenntlebens Veränderungen in Ihrer Lebenssituation oder bei den Bedürfnissen und Wünschen Ihres Kindes, dann kann es notwendig sein, dass Sie erneut gemeinsam entscheiden müssen, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt haben soll.
Was passiert, wenn sich die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nicht über den Aufenthalt des Kindes einigen können?
kostenlose Beratungs- und Unterstützungsangebote des Jugendamts oder von Erziehungs- und Familienberatungsstellen in Anspruch nehmen.
Können sich die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern über den Lebensmittelpunkt des Kindes oder über eine einzelne Angelegenheit des Aufenthaltes (z. B. Urlaubsreise des Kindes in das außereuropäische Heimatland eines Elternteils) nicht einigen, dann können Sie zur Lösung des KonfliktsScheitert eine einvernehmliche Lösung, dann kann auf Antrag eines Elternteils eine Entscheidung des Familiengerichts herbeigeführt werden. Auch das Gericht wird zunächst versuchen, Einvernehmen zwischen den Eltern herzustellen. Sofern dies nicht gelingt, wird das Gericht den Elternkonflikt schlichten, wobei zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden sind.
Eine Übersicht mit den verschiedenen Fallkonstellationen und den jeweiligen Entscheidungsbefugnissen der Eltern sowie den Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts finden Sie hier:

Sind sich die Eltern uneinig, können sie Hilfe in Form von Beratung in Anspruch nehmen
Übertragung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht kann als Teilbereich der elterlichen Sorge unter engen Voraussetzungen auf einen Elternteil übertragen werden. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn zwischen den Eltern ein nicht lösbarer Konflikt über den Lebensmittelpunkt des Kindes besteht.
Übertragung der Alleinentscheidung in einzelner Angelegenheit
Geht es um einzelne Angelegenheiten des Aufenthaltes (z. B. eine Urlaubsreise des Kindes in das Heimatland eines Elternteils), dann kann das Gericht einem Elternteil die alleinige Entscheidung über diese Angelegenheit übertragen. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts ist dabei das Kindeswohl .
Darf ein Elternteil mit dem Kind in eine andere Stadt umziehen?
Auch für einen Umzug und den damit verbundenen Wohnortwechsel des Kindes kommt es darauf an, wem das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht.
Alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht
Steht einem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu, dann kann dieser Elternteil auch allein über den Wohnort des Kindes und damit auch über einen Umzug entscheiden. Dabei ist aber, wie bei jeder das Kind betreffenden Entscheidung, das Kindeswohl zu berücksichtigen. Zum Kindeswohl gehört auch die Gewährleistung des Umgangs mit dem anderen Elternteil.
Gemeinsames Aufenthaltsbestimmungsrecht
Bei einem gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrecht können die Eltern nur gemeinsam entscheiden, wo das Kind wohnen soll. Möchte z. B. der bislang hauptbetreuende Elternteil zusammen mit dem Kind in eine andere Stadt umziehen, braucht er dafür die Zustimmung des anderen Elternteils. Scheitert eine einvernehmliche Lösung der Eltern, dann kann eine Entscheidung des Familiengerichts herbeigeführt werden.

Einen Umzug mit dem Kind sollte man mit dem anderen Elternteil absprechen
Was passiert, wenn der Wohnortwechsel nicht dem Kindeswohl entspricht?
Entspricht die Entscheidung des Elternteils, mit dem Kind umzuziehen, nicht dem Kindeswohl und Kindeswillen , dann kann der Umgangselternteil beim Familiengericht die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts beantragen. Das Familiengericht prüft in diesem Fall, ob der Verbleib des Kindes bei dem Elternteil, der mit dem Kind umziehen möchte, oder ob ein Wechsel des Kindes zum anderen Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht. Einzelheiten zu Fällen aus der Praxis finden Sie hier:
Eine Übersicht mit verschiedenen Fallkonstellationen und den jeweiligen Entscheidungbefugnissen der Eltern sowie den Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts finden Sie hier:
Neuregelung des Umgangs nach Umzug
Zu beachten ist, dass nach einem Umzug eine Neuregelung des Umgangs erforderlich sein kann. Insbesondere bei einer größeren Entfernung zwischen Kind und umgangsberechtigtem Elternteil sollte eine praktikable Regelung getroffen werden, mit der die Umgangskontakte zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil angemessen verwirklicht werden können (z. B. weniger, dafür aber längere Aufenthalte beim anderen Elternteil).
Was ist bei Urlaubsreisen mit dem Kind zu beachten?
Auch bei Urlaubsreisen kommt es darauf an, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht.
Alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht
Steht einem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu, dann kann dieser Elternteil alle Urlaubsreisen ohne Zustimmung des anderen Elternteils unternehmen.
Urlaube mit dem Kind sind grundsätzlich für beide Eltern möglich
Gemeinsames Aufenthaltsbestimmungsrecht
Liegt ein gemeinsames Aufenthaltsbestimmungsrecht vor, kann jeder Elternteil grundsätzlich ohne die Zustimmung des anderen Elternteils mit dem Kind in den Urlaub fahren. Bei einer Urlaubsreise in ein außereuropäisches Land kann hingegen die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um ein Risikogebiet handelt, für das eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes besteht. Soll die Reise in ein außerhalb Europas liegendes Heimatland eines Elternteils erfolgen, dann ist die Zustimmung des anderen Elternteils jedoch nicht erforderlich, wenn es sich um ein friedliches, stabiles Land handelt und dem Kind die Reise alters- und gesundheitsbedingt zugemutet werden kann.
Urlaubsreisen während des Umgangs
Der umgangsberechtigte Elternteil, dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht zusteht, darf während der Umgangszeiten mit dem Kind ohne Zustimmung des anderen Elternteils in den Urlaub fahren.
Hält sich das Kind während der Ferien länger beim Umgangselternteil auf, können auch längere Urlaubsreisen mit dem Kind ohne Zustimmung des anderen Elternteils unternommen werden. Entscheidend ist, ob der Urlaubsort und die Reise dorthin eine Angelegenheit der tatsächlichen Betreuung ist. Dies ist bei Urlaubsreisen innerhalb Deutschlands und der Nutzung der üblichen Verkehrsmittel in der Regel zu bejahen. Bei Reisen außerhalb Deutschlands können das Alter des Kindes oder der Ort bzw. die Art des Urlaubs (abgelegenes Gebiet, Abenteuerurlaub) die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich machen. Dies ist insbesondere zu bejahen, wenn die Reise erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben könnte. Reisen in ein Risikogebiet oder in ein außereuropäisches Land sind stets nur mit Zustimmung des anderen Elternteils erlaubt.
Kindeswohlgefährdung durch Auslandsreise
Droht im Zusammenhang mit der Auslandsreise eine Kindesentführung oder ein schwerwiegender Eingriff in Grundrechte des Kindes (z. B. Beschneidung, Zwangsheirat), dann kann sich der andere Elternteil aufgrund der drohenden Kindeswohlgefährdung an das Familiengericht wenden. Bei Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Elternteil, der das Kindeswohl gefährdet, entzogen und auf den anderen Elternteil übertragen werden.
Quellen
Mehr zum Thema
Hier finden Sie Informationen zu Quellen der Inhalte dieser Seite.
Quellen
Als Quellen wurden unter anderem verwendet:
Gerhardt, P., Heintschel-Heinegg, B. v., Klein, M. (2021). Handbuch Familienrecht. Wolters Kluwer.
Rahm, W., Künkel, B., Kemper, R. (2021). Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht. ottoschmidt.
Schnitzler, K. (2020). Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht. C.H.Beck.
Wichtige Gerichtsentscheidungen:
BVerfG 27.6.2008 – 1 BvR 311/08 (Berücksichtigung des Kindeswillens bei Entscheidung über Aufenthaltsbestimmungsrecht)
BGH 28.4.2010 – XII ZB 81/09 (Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil)
OLG Frankfurt 12.5.2020 – 4 UF 45/20 (Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil)
Elterliche Sorge
Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein Teil der elterlichen Sorge. Deshalb hat die Berechtigung zur elterlichen Sorge eine große Auswirkung auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Wissenswertes dazu erfahren Sie auf der folgenden Unterseite.
Betreuungsmodelle
Entscheidung für ein Betreuungsmodell
Bei gemeinsamem Aufenthaltsbestimmungsrecht müssen sich die Eltern gemeinsam für ein Betreuungsmodell entscheiden. Informationen zu den verschiedenen Betreuungsmodellen und den rechtlichen Auswirkungen finden Sie hier.
Kindeswohl & Kindeswille
Berücksichtigung von Kindeswohl & Kindeswillen bei Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts
Bei der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sollten Eltern das Wohl und den Willen des Kindes berücksichtigen. Worauf Sie als Eltern dabei achten sollten, erfahren Sie auf der folgenden Unterseite.